Ich bin schlecht
gelaunt. Als ich meinen BFD anfing, habe
ich erwartet, spätestens im Frühling auch mal außerhalb des
Büros tätig zu sein, mit Kindern zu arbeiten, neue Leute
kennenzulernen und interessante Erfahrungen zu machen. Ist jetzt halt nicht, denn seit 4 Wochen sitze ich nicht mal im Büro, sondern zu Hause vor meinem Laptop.
Grundsätzlich arbeite ich immer noch von 8:00 bis
16:30 Uhr, natürlich bin ich da jetzt
ein bisschen freier, da ich nicht mehr an die Anwesenheit im Büro gebunden bin. Mein Aufgabenbereich hat sich verändert. Da momentan keine Veranstaltungen stattfinden, helfe ich auch nicht bei
deren Vorbereitung, sondern layoute Arbeitsblätter, kümmere mich um Webseiten und arbeite an neuen „Corona-Projekten“ (mit), wie meinem Podcast oder dem LBV
Familientipp-Newsletter.
Außerdem kümmere ich mich um die Word-Dokumente
meiner Kollegin. Sie hat zuhause kein Microsoft Office Word und wenig klar wie alle
anderen. Manchmal ist das zwar ein ganz schönes Hin-und-Her, aber dafür bin ich die Rettung in ihren „Word-Krisen“, wie sie das sehr schmeichelhaft ausgedrückt hat.
Ich habe festgestellt: Man trifft momentan zwar
keine anderen Menschen, dafür kann man sich im
Homeoffice selbst besser kennenlernen und
spannende Erfahrungen bezüglich der eigenen Motivation und Disziplin sammeln. Das sieht bei mir so
aus:
Da bei mir jetzt die tägliche Fahrtzeit von
zweimal einer Stunde wegfällt,
hatte ich die geniale Idee, ich könnte früher zu arbeiten
anfangen, früher aufhören und dann deutlich mehr Freizeit haben. Bis jetzt hat es tatsächlich manchmal geklappt, um Punkt 7:00 Uhr kultiviert und mit
halbwegs gefülltem Magen vor dem Schreibtisch zu sitzen. Was (vor allem in letzter Zeit) aber leider öfter der Fall war: Mein Wecker klingelt und alle 5 Minuten drücke ich ihn
aus. Das kann dann auch mal eine
gute Stunde so gehen. Das ist dann
weder so
erholsam
wie schlafen,
noch ist
es Freizeit.
Der Zeitgewinn ist damit wieder zunichte gemacht. Dann rolle ich um 10 vor
8 aus dem Bett, stopfe mir schnell eine Banane rein, schleppe mich zum Schreibtisch und hoffe, dass mich keiner per Videoanruf erreichen möchte. Sitze ich dann um
8:00 Uhr am Schreibtisch, brauche
ich in
der ersten Stunde enorm viel
Willenskraft, um nicht wieder zurück ins Bett zu kriechen, zu dem es gerade mal ein halber Meter Luftlinie ist. Da ich grundsätzlich versuchen möchte, mich für die
Arbeit im Home-Office genauso herzurichten und vorzubereiten wie fürs
Büro,mein eigenes
Verhalten momentan
sehr.
Beim Aufstehen hört es nicht auf: Ich sitze vorm
Fenster, aus dem ich einen super Ausblick auf unsere Nachbarschaft und ins Grüne habe. Manchmal ist es einfach
interessanter, diezu beobachten, als zu arbeiten.
Genauso verlockend ist der Griff zum omnipräsenten Smartphone, das ich inzwischen vom Schreibtisch
verbannt habe. Außerdem habe ich eine kleine Schwester, die einfach nicht verstehen möchte, warum ich im Home-Office keine Zeit für unsere Lieblingsbeschäftigung
habe: das Streiten.
Ich finde es schwierig, nach der Arbeit richtig
abzuschalten. Ich mache Feierabend und halte mich immer noch im selben Raum auf wie zuvor. Ich mache irgendwie jeden Tag dasselbe und treffe keine Freunde
mehr. Vor lauter
Verzweiflung habe ich
nun angefangen, regelmäßig Sport zu
machen, ich brauche ja einen
Ausgleich zum Frust-Essen. Das macht es irgendwie
erträglicher und die regelmäßige Bewegung (an der frischen Luft) tut mir ungemein gut.
Trotz meiner Konzentrations- und
Motivationsprobleme hat das Arbeiten von zuhause aus auch viel Positives. Ich lerne andere
Arbeitsmethoden kennen als im Büro, zum Beispiel die Kommunikation über Teams, von dem ich davor noch nie
etwas gehört hatte. Ich arbeite
selbstständiger, da ich nicht bei jeder Kleinigkeit nachfragen kann, ob das so passt. Außerdem kann ich in
meiner Mittagspause Yoga machen und habe dann kein so krasses
Nachmittagstief mehr. Ich kann länger
schlafen, der Weg zum Kühlschrank ist nicht weit und ich muss mir keine Gedanken darüber machen, was ich mir am nächsten Tag zum Essen mit in die
Ich habe tatsächlich mehr
Freizeit, die ich nicht wie
gewöhnlich mit meinen
Freund*innen verbringen kann.
Also verbringe ich mit meiner Familie so viel Zeit wie noch nie und bin tatsächlich dabei,
mich mit meiner Schwester anzufreunden. Ich befasse mich endlich
mit meiner Studienorientierung, die ich immer erfolgreich vor mir hergeschoben habe. Ich lese mehr und finde Zeit
zum Klavier spielen. Mein normalerweise
superstressiger Alltag hat sich also sehr entschleunigt.
Auch wenn ich mir meine
Zeit beim LBV anders vorgestellt hatte, bin ich unglaublich dankbar dafür, dass ich überhaupt noch arbeiten kann und mich im Homeoffice nicht täglich dem Infektionsrisiko in den öffentlichen
Verkehrsmitteln und im Büro aussetzen muss. Ich versuche jeden Tag, mich daran zu erinnern, dass es mir nach wie vor sehr gut geht. An manchen Tagen gelingt mir das besser, an anderen halt
schlechter.