Mein Arbeitsalltag im Corona-Homeoffice

[22.04.2020] Zunächst einmal möchte ich mich mit diesem Text keineswegs beschweren! Er spiegelt lediglich meinen momentanen Arbeitsalltag wider. Niemand hat vor einem halben Jahr damit gerechnet, dass eine Pandemie ausbrechen und solche gravierenden Auswirkungen auf unseren Alltag haben würde. 


Ich bin schlecht gelaunt. Als ich meinen BFD anfing, habe ich erwartet, spätestens im Frühling auch mal außerhalb des Büros tätig zu sein, mit Kindern zu arbeiten, neue Leute kennenzulernen und interessante Erfahrungen zu machen. Ist jetzt halt nicht, denn seit 4 Wochen sitze ich nicht mal im Büro, sondern zu Hause vor meinem Laptop. 

 

Grundsätzlich arbeite ich immer noch von 8:00 bis 16:30 Uhr, natürlich bin ich da jetzt ein bisschen freier, da ich nicht mehr an die Anwesenheit im Büro gebunden bin. Mein Aufgabenbereich hat sich verändert. Da momentan keine Veranstaltungen stattfinden, helfe ich auch nicht bei deren Vorbereitung, sondern layoute Arbeitsblätter, kümmere mich um Webseiten und arbeite an neuen „Corona-Projekten“ (mit), wie meinem Podcast oder dem LBV Familientipp-Newsletter. 

 

Außerdem kümmere ich mich um die Word-Dokumente meiner Kollegin. Sie hat zuhause kein Microsoft Office Word und kommt mit der noch komplizierteren und reduzierten Webversion genauso wenig klar wie alle anderen. Manchmal ist das zwar ein ganz schönes Hin-und-Her, aber dafür bin ich die Rettung in ihren „Word-Krisen“, wie sie das sehr schmeichelhaft ausgedrückt hat. 

Weil wir uns ja nicht mehr persönlich sehen, kommunizieren meine Kolleginnen und ich mithilfe von E-Mails, Telefon und Microsoft Teams, einer Plattform auf der man miteinander chatten und (video-)telefonieren kann. Das ist wirklich schön, da so ein Videotelefonat ein persönliches Gespräch noch am ehesten ersetzt und man sich zuhause nicht mehr ganz so einsam fühlt. Unsere wöchentliche Team-Besprechung mit allen Kolleginnen haben wir jetzt durch eine regelmäßige Teams-Besprechung ersetzt. Das funktioniert mal mehr und mal weniger gut, je nachdem, wie ausgelastet der Server gerade ist. 


Ich habe festgestellt: Man trifft momentan zwar keine anderen Menschen, dafür kann man sich im Homeoffice selbst besser kennenlernen und spannende Erfahrungen bezüglich der eigenen Motivation und Disziplin sammeln. Das sieht bei mir so aus: 

Da bei mir jetzt die tägliche Fahrtzeit von zweimal einer Stunde wegfällt, hatte ich die geniale Idee, ich könnte früher zu arbeiten anfangen, früher aufhören und dann deutlich mehr Freizeit haben. Bis jetzt hat es tatsächlich manchmal geklappt, um Punkt 7:00 Uhr kultiviert und mit halbwegs gefülltem Magen vor dem Schreibtisch zu sitzen. Was (vor allem in letzter Zeit) aber leider öfter der Fall war: Mein Wecker klingelt und alle 5 Minuten drücke ich ihn aus. Das kann dann auch mal eine gute Stunde so gehen. Das ist dann weder so erholsam wie schlafen, noch ist es Freizeit. Der Zeitgewinn ist damit wieder zunichte gemacht. Dann rolle ich um 10 vor 8 aus dem Bett, stopfe mir schnell eine Banane rein, schleppe mich zum Schreibtisch und hoffe, dass mich keiner per Videoanruf erreichen möchte. Sitze ich dann um 8:00 Uhr am Schreibtisch, brauche ich in der ersten Stunde enorm viel Willenskraft, um nicht wieder zurück ins Bett zu kriechen, zu dem es gerade mal ein halber Meter Luftlinie ist. Da ich grundsätzlich versuchen möchte, mich für die Arbeit im Home-Office genauso herzurichten und vorzubereiten wie fürs Büro, frustriert mich mein eigenes Verhalten momentan sehr. 

 

Beim Aufstehen hört es nicht auf: Ich sitze vorm Fenster, aus dem ich einen super Ausblick auf unsere Nachbarschaft und ins Grüne habe. Manchmal ist es einfach interessanter, die Nachbarn zu beobachten, als zu arbeiten. Genauso verlockend ist der Griff zum omnipräsenten Smartphone, das ich inzwischen vom Schreibtisch verbannt habe. Außerdem habe ich eine kleine Schwester, die einfach nicht verstehen möchte, warum ich im Home-Office keine Zeit für unsere Lieblingsbeschäftigung habe: das Streiten. 

Ich finde es schwierig, nach der Arbeit richtig abzuschalten. Ich mache Feierabend und halte mich immer noch im selben Raum auf wie zuvor. Ich mache irgendwie jeden Tag dasselbe und treffe keine Freunde mehr. Vor lauter Verzweiflung habe ich nun angefangen, regelmäßig Sport zu machenich brauche ja einen Ausgleich zum Frust-Essen. Das macht es irgendwie erträglicher und die regelmäßige Bewegung (an der frischen Luft) tut mir ungemein gut. 

 

Trotz meiner Konzentrations- und Motivationsprobleme hat das Arbeiten von zuhause aus auch viel Positives. Ich lerne andere Arbeitsmethoden kennen als im Büro, zum Beispiel die Kommunikation über Teams, von dem ich davor noch nie etwas gehört hatte. Ich arbeite selbstständiger, da ich nicht bei jeder Kleinigkeit nachfragen kann, ob das so passt. Außerdem kann ich in meiner Mittagspause Yoga machen und habe dann kein so krasses Nachmittagstief mehr. Ich kann länger schlafen, der Weg zum Kühlschrank ist nicht weit und ich muss mir keine Gedanken darüber machen, was ich mir am nächsten Tag zum Essen mit in die Arbeit nehmen soll. 
Ich habe tatsächlich mehr Freizeit, die ich nicht wie gewöhnlich mit meinen Freund*innen verbringen kann. Also verbringe ich mit meiner Familie so viel Zeit wie noch nie und bin tatsächlich dabei, mich mit meiner Schwester anzufreunden. Ich befasse mich endlich mit meiner Studienorientierung, die ich immer erfolgreich vor mir hergeschoben habe. Ich lese mehr und finde Zeit zum Klavier spielen. Mein normalerweise superstressiger Alltag hat sich also sehr entschleunigt. 

 

Auch wenn ich mir meine Zeit beim LBV anders vorgestellt hatte, bin ich unglaublich dankbar dafür, dass ich überhaupt noch arbeiten kann und mich im Homeoffice nicht täglich dem Infektionsrisiko in den öffentlichen Verkehrsmitteln und im Büro aussetzen muss. Ich versuche jeden Tag, mich daran zu erinnern, dass es mir nach wie vor sehr gut geht. An manchen Tagen gelingt mir das besser, an anderen halt schlechter.