Agrarbündnis demonstriert für eine wirkliche Trendwende in der Agrarpolitik

Am 16. April 2021 protestierte ein breites Bündnis aus 14 Teilnehmern für eine wirkliche Agrarwende

 

Ein breites gesellschaftliches Bündnis aus Umweltschutzverbänden, Tierschutzorganisationen, Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) und Landesvereinigung für ökologische Landwirtschaft (LVÖ) hat vor der Staatskanzlei in München für eine wirkliche Agrarwende demonstriert. Bayerische Bauernhöfe, Nutztiere und unsere Umwelt stehen unter massivem Druck. Dass auch in Bayern immer mehr Höfe, Metzgereien und Bäckereien schließen, sei ein großer Verlust für die ländlichen Räume, die Vielfalt und Resilienz unseres Ernährungssystems und damit für die gesamte Gesellschaft, so das Bündnis. Namhafte Vertreter  des „Agrarbündnis Bayern“ kritisierten auf einem eigens aufgebauten Podium nicht nur die bayerische Agrarpolitik, sondern auch die agrarpolitische Zukunftsausrichtung auf Bundes- und EU-Ebene. Ministerpräsident Markus Söder solle sich für eine echte Agrarwende einsetzen und nicht für ein „Weiter so“! stehen, war eine zentrale Forderung.

 

 

 

Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber betonte, dass ihr die Bauern am Herzen lägen. Mit dem Volksbegehren nähme Bayern bereits jetzt schon eine Vorreiterrolle ein und die Gemeinsame europäische Agrarpolitik sei auf einem guten Weg, weil auch andere Mitgliedstaaten künftig auf mehr Öko-leistungen verpflichtet werden, so die Ministerin. In Bayern werden über KULAP und das Bayerische Vertragsprogramm jährlich 370 Millionen Euro für den Artenschutz zur Verfügung gestellt. Den Vorwurf, dass bayerische Bauern für den Weltmarkt produzieren müssen, wies sie vehement zurück. 60 % der in Bayern produzierten Lebensmittel würden in Bayern bleiben,

20 % gehen in den gesamtdeutschen Raum, 15 % werden innerhalb der EU vermarktet und nur „kleine fünf Prozent“, so Kaniber gehen in den Weltmarkt. Kaniber selbst warb auf der Agrarministerkonferenz für eine

15-prozentige Umverteilung von Großbetrieben zu Kleinbetrieben und auf die ersten Hektare. Sie sicherte zu, Bayern werde beim Tierwohl seinen eigenen Weg gehen und die Bauern mit einer zusätzlichen Tierwohlprämie unter-stützen, wenn sich der Bund nicht dazu durchringen könne, über die Borchert-Kommission einen Mehrerlös für die Bauern zu generieren. 

Richard Mergener vom BUND konterte: „ Bäuerliche Landwirtschaft und Natur- und Umweltschutz gelingen nur gemeinsam. Jetzt ist die Zeit der Entscheidungen in der europäischen Agrarpolitik, Herr Ministerpräsident! Es muss umgesteuert werden, weg vom „Agrarkapitalismus“ – das waren ihre Worte im Juli 2020 – hin zur Entlohnung der Leistungen für die Umwelt- und den Tierschutz, statt die Milliarden Agrarsubventionen aus Brüssel weiterhin hauptsächlich nach der  Flächengröße zu unterstützen“, brachte Mergner die Kernforderung der Kundgebung auf den Punkt.

 

Dr. Norbert Schäffer vom LBV betonte, dass es um unsere Landwirte, um die Landschaft und die biologische Vielfalt geht, die eng zusammen-hängen mit der Lebensqualität von uns allen. Heute hört man mehr Vögel in der Stadt, als auf dem Land und das ist der eigentliche Skandal, so Schäffer. In der Agrarlandschaft sind in den letzten 40 Jahren

 50 % unserer heimischen Vögel verloren gegangen. Vögel sind ein sehr guter Indikator für biologische Vielfalt. 95 % der Rebhühner, 80-90 % der Kiebitze, 50 % der Feldlerchen, sind verloren gegangen, d.h. die Landschaft ist weitaus ärmer geworden. Schäffer betonte in Bezug auf das Volksbegehren Artenvielfalt, dass die Landwirte die Gewinner sind und das Volksbegehren Artenvielfalt durch das Engagement der Gesellschaft diesen Erfolg gebracht hat. Die Mittel aus dem bayerischen Vertragsnaturschutz Programm wurden fast verdoppelt, wovon die Landwirte besonders profitieren, und es wurden Biodiversitäts- und Wildlebensraumberater eingesetzt, die die Landwirte vor Ort in Naturschutzfragen unterstützen. Auch die Herausnahme der Gewässerrandstreifen aus der Bewirtschaftung wird den Landwirten entgolten.

Die nächsten dicken Bretter werden sein, so Schäffer weiter, die 30 % Biolandwirtschaft zu erreichen, denn dazu braucht es fundamentale Veränderungen. Dazu gehört auch die Etablierung des Biotopverbundes, der jetzt im Bayerischen Naturschutzgesetz verankert ist.  Ministerpräsident Markus Söder selbst hat die geforderten 13 % Biotopverbund aus dem Volksbegehren auf 15 % Biotopverbund bis 2030 erhöht. Auch Landschaften wie der Gäuboden werden in 2030 ein anderes Gesicht haben, beschwor Schäffer.

 

Von Seiten der Landwirtschaft stieg der AbL Vorsitzende Josef Schmid auf das Podium. Schmid betonte eingangs, dass sich diese Demonstration von anderen Bauerndemonstrationen unterscheide, weil hier Bauern mit breiten Teilen der Gesellschaft gemeinsam demonstrieren.

Das ist der große Wert des Agrarbündnisses. Schmid forderte die nur kurz anwesende Landwirtschaftsministerin Kaniber auf, endlich den Strukturwandel zu stoppen. So machen laut Schmid täglich 3 Höfe für immer ihre Tore zu. Bayerns Bauern brauchen bessere Perspektiven. Die zunehmende Ausrichtung auf den Weltmarkt sei keine Lösung. So verlangt der AbL Vorsitzende für das Qualitätssiegel „Geprüfte Qualität aus Bayern“ den Einsatz von gentechnisch verändertem Sojaschrot zu verbieten. Ebenso müsse Kaniber, das „Bio-Regio 2030“-Programm konsequent umsetzen, um das Ziel 30 % Ökolandbau in knapp 10 Jahren zu erreichen. So verlangt das Agrarbündnis, dass die Leistungen der Bauern für Umwelt, Klima und Tierwohl besser honoriert werden. Auf EU-Ebene sei zudem eine verpflichtende Herkunfts- und Haltungszeichnung einzuführen. Dafür muss sich Bayerns Regierung einsetzen.

Einen eigenen Bayernplan, ergänzt um Umwelt- und Tierschutzaspekte hält Hubert Heigl, LVÖ-Vorsitzender, für dringend nötig. Bayern steht am Scheideweg. In den nächsten Jahren wird nach Einschätzung von Heigl der Strukturwandel rapide zunehmen, wenn jetzt nicht die Rahmenbedingungen anders gesetzt werden. „Bayern kann mehr“ so Heigl. Er sieht den Ökolandbau als Lösungsweg, um für mehr Arten- und Tierschutz zu sorgen und landwirtschaftliche Betriebe zu erhalten. Noch weiter ging eine Vertreterin von Fridays vor Future, die 100 ökologischen Landbau fordert.

Der Deutsche Berufs- und Erwerbsimker Bund Bayern e. V. fordert einen verlässlichen funktionierenden Bienenschutz und deren Präsidentin Seehaus-Arnold prangert die Notzulassungen bei Insektiziden an. Auch werden bienengefährliche Insektizide, wie beispielsweise „Steward“ und „Sindoxa“, die jetzt als bienengefährlich eingestuft wurden, zu lange im Handel belassen.  Die noch in Verhandlung stehende EFSA-Bienenleitlinie wird von der Pestizidindustrie sowie mehreren Mitgliedsstaaten, darunter Deutschland, abgelehnt mit der Begründung: „Die Bienenleitlinie sei zu streng“. Pestizidgrenzwertüberschreitungen im Honig und Völkerverluste durch Pestizide verursachen Schäden für die  Erwerbsimker. Weitere Redner des Agrarbündnisses schlossen sich an. 

 

Der Kernforderungen der Kundgebung wurden unterstützt von:

 

Landesbund für Vogelschutz e. V. , BUND Naturschutz in Bayern e. V., Greenpeace München, Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, Landesvereinigung für den ökologischen Landbau, Genussgemeinschaft Städter und Bauern, Parents 4 Future München, Naturfreunde  Bayern, JBN; Provieh, SlowFood München, Deutscher Tierschutzbund-Landesverband Bayern, und Erwerbs-Imker Bund.

Agrarbündnis Bayern

Gemeinsam die Zukunft von Natur und Landwirtschaft sichern

Dafür fordern die Mitglieder des Bündnisses:

Wir als Bündnis aus landwirtschaftlichen Organisationen, Umwelt-, Tier- und Verbraucherschutzverbänden fordert eine ressourcenschonende, nachhaltige bäuerlich geprägte Landwirtschaft. Diese soll hochwertige Lebensmittel erzeugen, die natürlichen Lebensgrundlagen erhalten und die Kulturlandschaft pflegen.

 

Die Verbände fordern ein Umdenken in der Agrarpolitik. Statt Billigproduktion für den Weltmarkt und immer weiter fortschreitender Konzentration sieht das Bündnis die Zukunft in regionaler, ökologischer Erzeugung, gepaart mit einer höheren Wertschätzung gegenüber Nahrungsmitteln. Immer mehr Verbraucherinnen und Verbraucher sind bereit, mehr Geld für Lebensmittel aus nachhaltiger Landwirtschaft zu bezahlen. Die Politik ist gefragt, diesen Wandel mitzugehen und aktiv zu unterstützen. Bayern als einflussreiches Bundesland muss sich deswegen konsequent dafür einsetzen, dass

·        Leistungen der Bäuerinnen und Bauern für Umwelt, Klima und Tierwohl im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU und deren Umsetzung in Deutschland besser honoriert werden.

·        die Empfehlungen der Borchert-Kommission zur Einführung einer mengenbezogenen Tierwohlabgabe für den Umbau der Tierhaltung umgesetzt werden.

·        auf europäischer Ebene eine verpflichtende Herkunfts- und Haltungskennzeichnung eingeführt wird.

 

Außerdem muss Bayern seinen eigenen politischen Handlungsspielraum konsequent für die nachhaltige Transformation der Land- und Lebensmittelwirtschaft nutzen. Dies gilt für die Ausgestaltung der eigenen Förderprogramme, Maßnahmen zum Ausbau des ökologischen Landbaus und Unterstützung von Betrieben der Lebensmittelverarbeitung, die die Qualität der Lebensmittel, nachhaltige Produktion und Wertschöpfung für die Landwirtschaft sichern. Von der bayerischen Staatsregierung müssen deutliche Signale an die Bevölkerung ausgehen, dass ein Wandel hin zu einem nachhaltigen Agrar- und Ernährungssystem gewollt ist und mit aller Kraft vorangetrieben wird!